Archiv Predigten

ausgewählte PredigtEN  der Ev. Kirchengemeinde Erfurt-Südost sind hier für einen Monat nach dem Erscheinen bzw nach dem jeweiligen Gottesdienst nachlesbar bzw nachhörbar

Gottesdienste am 2. So. nach Epiphanias

Gottesdienste am  2. So. nach Epiphanias

Am 15.01.2023 laden wir herzlich zu unseren Gottesdiensten

ab 9:30 Uhr in die Lukaskirche und
ab 11:00 Uhr in die Gustav-Adolf-Kirche ein.
Es begrüßt Sie dort Pfarrer Thomas Riedel
Lesen Sie hier seine Predigt

Die verborgene Herrlichkeit Gottes oder lass mich deine Herrlichkeit sehen

2. Mose 33,18-23

Liebe Gemeinde,

vor ein paar Jahren haben meine Frau und ich einen Ausflug nach Bad Langensalza gemacht, um die dort angelegten Gärten anzuschauen. Im Rosengarten konnte man viele verschiedene Rosenarten bewundern und sich erfreuen an all ihrer Pracht. In eine Rose habe ich mich quasi verliebt. Es ist die Duftrose „Westerland“. Ihre Blüte leuchtet von zartem Rosa bis kräftig orange und ihr Duft ist betörend schön. Auf einer Internetseite wird sie wie folgt beschrieben: Ihre großen, halbgefüllten Blüten sind mit ihrer kupferorangen Farbe ein herrliches Verwöhnprogramm für die Augen.1 Einfach herrlich!

Diese Rose hat mich so fasziniert, dass ich mir kurze Zeit später so einen Rosenstock gekauft habe. Denn die Erinnerung an dieses schöne Erlebnis war mir nicht genug. Ich brauchte sie quasi vor Augen, so als wäre sie nur dann real, wenn ich diese schöne herrliche Rose sehen kann.
Geht es Ihnen auch so, dass Sie sich bei manch schönen Sachen immer wieder vergewissern müssen, dass diese real sind? Vielleicht, wenn Sie sich Urlaubsbilder anschauen, um noch mal nachzuspüren, wie schön der Urlaub war.

Ich denke, so geht es uns bei vielen Dingen. Das, was wir sehen, bekommt Gewicht, hat eine Art Präsenz in unserem Leben. Oder mit Worten der Bibel zu sprechen: Der Mensch sieht, was vor Augen ist. Umso herausfordernder wird es, wenn wir über unseren Glauben sprechen. Denn im Normalfall können wir Gott nicht sehen – nur ihm nachspüren. Und doch würde uns es guttun, wenn sich Gott zeigen würde, wenn wir ihn sehen könnten. Ja, manchmal habe ich eine richtige Sehnsucht danach, um mich zu vergewissern, Gott ist da.

Unser Predigttext erzählt in gewisser Weise genau davon. Er handelt von Mose, der auf dem Berg Sinai in Kontakt mit Gott ist, aber dieser einmalige Kontakt, dieses Wissen, dass Gott da ist, reicht ihm nicht, er will ihn sehen. Von Angesicht zu Angesicht:

Ich lese:

2. Mose 33,18-23 - Mose will Gottes Herrlichkeit sehen

18Mose bat: »Lass mich deine Herrlichkeit sehen!« 19Da sagte Gott: »Ich will all meine Güte an dir vorüberziehen lassen und den Namen des Herrn vor dir ausrufen: ›Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und mit wem ich Erbarmen habe, mit dem habe ich Erbarmen.‹« 20Weiter sagte Gott: »Du kannst mein Angesicht nicht sehen. Denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben.« 21Und der Herr fügte hinzu: »Aber siehe, da ist ein Platz in meiner Nähe. Stell dich dar auf den Felsen!  22  Wenn dann meine Herrlichkeit vorüberzieht, will ich dich in den Felsspalt stellen. Solange ich vorüberziehe, werde ich meine Hand über dich halten. 23Danach werde ich meine Hand wegziehen, und du kannst hinter mir hersehen. Aber mein Angesicht kann man nicht sehen.«

Mose hat von Gott eine große Aufgabe bekommen, nämlich sein Volk zu führen. Für diese herausfordernde Aufgabe braucht er einen Energieschub. Was könnte ihm helfen, in den kommenden Anfechtungen? Was braucht er?

Lass mich deine Herrlichkeit sehen!“ Das bringt seine Sehnsucht auf den Punkt. „Lass mich deine Herrlichkeit sehen!“ Dann kann ich mir vor Augen führen, wie groß du wirklich bist. Dass du real bist – dass ich nicht allein bin.

Mose kann Gott nicht sehen, weil Gottes Herrlichkeit so groß ist, dass er es nicht ertragen könnte. Aber Gott weist ihn nicht einfach nur ab, sondern geht auf ihn ein. Er kommt ihm ganz nah, soweit das eben möglich ist. Mose kann Gott erst von hinten unbeschadet erblicken. Ich finde, das ist ein starkes Bild. Gott ist da, mit all seiner Macht, Schönheit und Kraft. Jedoch können wir sie in seiner ganzen Pracht nicht erblicken, aber wir können im Nachhinein dieser Präsenz nachspüren.

Pfarrerin Dr. Christiane Braungart2 hat in ihrer Auslegung zu unserem Bibeltext folgendes geschrieben:

Sören Kierkegaard hat einmal gesagt: Das Leben kann nur nach vorne gelebt werden, verstehen kann man es manchmal nur im Nachhinein.

Immer wieder müssen wir in unserem Leben Entscheidungen treffen und wir sind auch manchmal nicht sicher, ob es die richtigen sind.

Erst im Nachhinein sehen wir manchmal, wie sich aus den Schritten, die wir gegangen sind, ein Weg ergeben hat.

Wir fragen in unserem Leben nach Gott, gerade auch in schwierigen Situationen und manchmal, nicht immer, sehen wir im Nachhinein die Spuren seiner Gnade und seines Erbarmens und wir können einwilligen in das Leben, wie es seinen Verlauf genommen hat, auch mit seinen dunklen Seiten.

Lass mich deine Herrlichkeit sehen … Zeig dich Gott … ach, dass du den Himmel zerrissest und führest herab.

Diese Worte haben mich und vielleicht auch Sie in den letzten Monaten, auch gerade in den letzten Wochen bewegt.

Eine tiefe Sehnsucht nach einem sichtbaren Gott, der eingreift, der den Mächtigen, die die Welt mit Krieg überziehen, in den Arm fällt.

Will sich Gott denn gar nicht mehr erbarmen?

Doch, er tut es.

Es gibt Erbarmen und Gnade in dieser Welt und sie hat mit Gott zu tun.

Die vielen Ehrenamtlichen, die sich jetzt z.B. in der Flüchtlingsarbeit engagieren, die haben eine Menschlichkeit in sich, die auch von Gott kommt. Und die Flüchtlinge erleben Spuren seiner Gnade und seines Erbarmens über die Hilfe, die ihnen zuteilwird.

Die Politiker, die sich immer und immer wieder um diplomatische Lösungen bemühen, die haben eine Kraft und eine Ausdauer, die nicht allein von ihnen herauskommt.

Den Soldaten, die kämpfen, auch töten, auch denen wird Gott seine Gnade und Barmherzigkeit nicht verwehren, wenn sie darum bitten.

Und die, die sterben, die können darauf hoffen, die Herrlichkeit Gottes zu sehen in einem anderen Leben.

Darauf gehen wir alle zu. Irgendwann werden wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen und wir werden umgeben sein von seiner Herrlichkeit.

Bis dahin wollen wir Gott immer wieder darum bitten: Lass mich deine Herrlichkeit sehen. Und Gott wird unsere Bitten erfüllen, auf die eine oder andere Weise. Manchmal sind wir erfüllt von ihr im Augenblick und wir behalten diese Erfahrungen in uns wie ein Schatz. Manchmal erkennen wir diese Momente aber nur in der Rückschau.

Immer aber wird die Erfahrung von Gottes Herrlichkeit uns Kraft und Energie geben für die Aufgaben, die vor uns liegen.

Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie Gottes Größe und Herrlichkeit, seiner Liebe und Geduld, seiner Vergebung und Heilung immer wieder in Ihrem Leben nachspüren können. Gott segne Sie!

AMEN

1 Online 13.01.2023; https://www.baumschule-horstmann.de/shop/exec/product/80/2758/Strauchrose-Westerland.html

2 Herausgegeben vom Referat Ehrenamtliche Verkündigung: Pfarrerin Dr. Christiane Braungart, Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland; Jahrgang 22/23 – Nr. 14 – Seite 2

 

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