Archiv Predigten

ausgewählte PredigtEN  der Ev. Kirchengemeinde Erfurt-Südost sind hier für einen Monat nach dem Erscheinen bzw nach dem jeweiligen Gottesdienst nachlesbar bzw nachhörbar

Gottesdienste zu Karfreitag in der Gemeinde

Gottesdienste zu Karfreitag in der Gemeinde

Karfreitag finden unsere Abendmahlsgottesdienste

ab 09:30 Uhr in der Gustav-Adolf-Kirche und

ab 11:00 Uhr in der Lukaskirche statt

mit Pfarrerin Sydow
Lesen Sie hier ihre Ansprache zum Tag

Die Gnade Gottes, die Liebe Jesu Christie und die Gemeinschaft des heiligen Geistes seit mit uns allen. Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

wir lesen in der Bibel zum heutigen Karfreitag aus Matthäus 27, 33-54……………….

Da sterben drei Menschen am Kreuz, aber es ist nicht still, sondern es herrscht Trubel. Es ist Hinrichtungstag und der Voyeurismus von sensationsgierigen Menschen wird bedient. Von den drei gekreuzigten Männern ist einer Jesus, der in den Wochen und Monaten davor viel von sich reden machte. Nicht entschieden ist, wer er wirklich war. Gottes Sohn oder doch nur ein Revolutionär? Es gab eine Verhaftung, einen Schauprozeß durch Pilatus, es gab Folter und einen schweren Weg bis nach Golgatha, Menschen lachen , spielen um seine Kleider, drei Menschen sterben am Kreuz.

Und der Ewige schweigt dazu.

Die Anbetung von Jesus als Gekreuzigtem hat dem Christentum auch schon mal den Vorwurf eingebracht, schwach zu sein, Opfer zu sein, eine Religion für Verlierer. Ich sehe das ganz anders, diese scheinbare Schwäche scheint mir eher eine Stärke zu sein, weil wir in unserem Glauben ein Bild haben für menschliches Leid, wir haben ein Bild für menschliches Scheitern, wir haben ein Bild für menschliche Grausamkeit, wir haben ein Bild dafür, auf wessen Seite Gott selbst steht. Und dieses Bild ist das Kreuz und spätestens zu Ostern wird das Kreuz auch zu einem Bild für Triumph und Auferstehung und neues Leben.

Aber bleiben wir beim heutigen Karfreitag mit unseren Gedanken.

Alles Leid dieser Welt, können wir eintragen in das Bild vom Kreuz: die Bombenopfer im Krieg gegen die Ukraine, die jüdischen Opfer der Hamas am Tag des Massakers am 7.10.23, das Leid der vertriebenen palastinensischen Familien, die Kinder, die als Kindersoldaten mißbraucht werden, die Opfer sexueller Gewalt in vielen versch. Bereichen der Gesellschaft, die Liste des Elends ließe sich unendlich fortsetzen.

Und kein Wort von Gott, kein Eingreifen, nichts. Mit diesem Schweigen Gottes haben bereits Generationen vor uns gekämpft, in einem anonymen Brief aus dem Mittelalter, aus dem 15. Jahrhundert findet sich ein Bild von Gott, das uns anrühren und im Verständnis weiterführen kann. Da schrieb jemand in einem Brief von Gott als stillem Geschrei, „Du stilles Geschrei“ und das scheint es mir sehr gut zu treffen, Gott weint leise über diese Welt.

Etwas Stilles und doch ein Schrei. Gott befiehlt hier nicht wie ein König oder Herrscher. Gott ist ein Schrei in dieser Welt. In uns selbst und ein Schrei in dieser Zeit. Dieser Gottesname enspricht meiner Gefühlslage, entspricht der Gefühlslage der Menschen, die übergrosses Leid getroffen hat, in Israel, in Gaza, in der Ukraine, im Kongo.

Leid, Krieg, Gewalt, Unglück, Unrecht , das kann Gott buchstäblich aus den Herzen der Menschen graben. Du stilles Geschrei , dieser Name will Gott in unseren Herzen halten, du stilles Geschrei- da ist Gott das Verwundbare in der Welt, das Verwundbare und Verletzliche in jedem Menschen. Das stille Geschrei hält zusammen, was auseinander zu brechen droht. Meine eigene Verwundbarkeit und die Härte des Lebens. Ich bringe es manchmal nicht mehr zusammen. Dieser Gottesname ist Klage und Protest zugleich, ein Weinen, ein Aushalten, ein Ja zum Leben, zum Weitermachen, ein trotziges Ja so scheint es mir.

Sie kennen alle den Namen des Dichters Johannes R. Becher, seine Rolle im Kulturbetrieb der DDR war keine gute und keine rühmliche und trotzdem ist ihm ein Gedicht gelungen, das ich früher im Deutsch Lesebuch kennenlernte und nie so richtig vergessen haben. Ich habe es wieder gefunden mit Hilfe anderer Menschen in einem kleinen Gedichtband.

Joh. R. Becher hat es für Tilman Riemenschneider gedichtet, einem mittelalterlichen Bildschnitzer und Bildhauer, gb 1460 In Heiligenstadt/ Thür. Und gestorben 1531 in Würzburg, ihm gewidmet sind die Worte des Gedichtes:

Riemenschneider

Als er eines Tags, vorübergehend,

einen blindgestochnen Bauern sah,

sagte er: ich mach dich wieder sehend!

Und er schnitzte ihn aus Holz, das ja

Aus demselben Stoffe war. Alle Lasten

Schnitzte er, die solch ein Bauer trug,

ins Gesicht hinein, vom vielen Fasten

war um seinen Mund ein bittrer Zug.

Da das Werk für den Altar bestimmt,

um zu zeugen und um anzuklagen,

ließ den Bauern er die Kreuzlast tragen

als die Fahne, die ihm keiner nimmt –

Und der Bauer, der geblendet war,

sah mit großen Augen vom Altar.

Wenn ich die zusätzlichen Angaben zum Gedicht richtig verstanden habe, wurde das Gedicht erstmalig 1938 veröffentlicht. Was Joh. R. Becher sehr richtig erkannt hatte, war dies: wo der Platz Gottes ist, in der Tiefe, im Leid, im Unglück. Und vielleicht kannte der Dichter auch die Bibelworte wie zum Beispiel: er erhebt die Niedrigen, er stürzt die Mächtigen vom Thron, Gerechtigkeit und Frieden werden sich küssen,

Der Bauer wird Altarfigur und zeigte den Menschen, wo sie Gott finden. Und der Bauer, der geblendet war, sah mit großen Augen vom Altar. Der Künstler Riemenschneider hatte das verstanden und Joh. R. Becher vielleicht in der Stunde seines Dichtens auch.

Das Leid der Welt ist groß, Gott steht auf der Seite der Schwachen, der Scheiternden, aber er wird uns nicht dort lassen, sondern erheben , zu sich holen, das ist die Hoffnung des christlichen Glaubens.

Und deshalb ein trotziges Ja zum Leben.

Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unseren Herzen und Sinne in Christus Jesus . Amen